Die DEUQUA nimmt Abschied von dem Penck-Medaillen-Träger Aleksis Dreimanis, der im Juli 2011 kurz von seinem 97. Geburtstag verstarb. Aleksis Dreimanis war ein außergewöhnlicher Quartär- und Glazialforscher: geboren in Lettland, verbrachte er drei Jahre während des 1. Weltkrieges als Kind mit seinen Eltern in Russland. Zurück in Lettland interessierte er sich schon früh für die Aufschlüsse am Daugava-Fluss; sein Studium der Geologie war seinen vielfältigen Interessen folgend breit angelegt, er befasste sich auch mit Malakologie, Palynologie und Archäologie. Eine frühe, aber auch später noch viel Beachtung findenden Publikation von 1939 mit dem Titel: „Eine neue Methode der quantitativen Geschiebeforschung“ publizierte er auf Deutsch in der Zeitschrift für Geschiebeforschung.
Bahnbrechend und grundlegend für die Wissenschaft waren seine Verknüpfung von Glazitektonik, charakteristischen Eigenschaften des Tills und Stratigraphie. Nach den Kriegswirren im 2. Weltkrieg kam er nach Deutschland, wo er nach seiner Gefangenschaft auch seine Familie wieder traf. Nach kurzer Lehrtätigkeit in Hamburg und Pinneberg emigrierte er 1948 nach Kanada, wo er seit Mitter der 50iger Jahre an der Western University of Ontario tätig war. Er erzählte mir einmal, dass die großen Seen in Kanada mit ihren aus glazialen Sedimenten aufgebauten Kliffküsten ihm Studien ermöglichten, wie er sie zuvor von den Steilküsten der Ostsee her kannte. Seine Expertise wurde nicht nur an der Universität als Universitätslehrer geschätzt, sondern auch von anderen kanadischen geologischen Institutionen in Anspruch genommen. Von Kanada aus hatte er nach wie vor enge Verbindungen zu Lettland und dem gesamten Peribaltischen Raum. Uns ist er vor allem durch seine Tätigkeit in der INQUA bekannt und in Erinnerung. Mit großer Leidenschaft leitete er ab 1973 über viele Jahre die INQUA-Commission on Genensis and Lithology of Glacial Deposits. Seine eingängige Abbildung zur „Genetic classification of tills“ hat vielfach Eingang gefunden in Publikationen und Lehrbücher. – Nicht zuletzt aufgrund seiner umfangreichen Sprachkenntnisse war Aleksis Dreimanis ein Wissenschaftler, der auch zu Zeiten des Kalten Krieges Kontakt hielt zu Wissenschaftlern in Ost und West. Er war oft in Europa unterwegs und hat zahlreiche Exkursionen mit seinen konstruktiven Diskussionsbeiträgen bereichert. Seine Kontaktfreudigkeit führte zu vielen interessanten Briefwechseln und mit seinem Engagement nach der Unabhängigkeit der Baltischen Republiken hat er auch etlichen jungen Wissenschaftlern bei ihrem Weg in die internationale Wissenschaftlergemeinschaft geholfen. Wir werden diesem großartigen wissenschaftlichen Vordenker in der Glazialforschung und menschlich so offenen Kollegen ein ehrendes Andenken bewahren.
Margot Böse (Berlin)