Auf der 22. Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft Alpenvorland Quartär (AGAQ) vom 23.-25. April 2010 in Waldshut Tiengen umfasste das wissenschaftliche Programm wieder spannende Vorträge, lebhafte Diskussion sowie Exkursionen in die Nordschweiz.
Im Rahmen der Arbeitssitzung am Freitagnachmittag berichtete Christian Schlüchter über eine neue Karte der Schweiz während des letzteiszeitlichen Maximums (LGM). Im Vergleich zur sogenannten „Jäckli-Karte“ ergaben sich viele Verbesserungen z.B. im Bereich der Jura-Eiskappe, im Transfluenzbereich Goms-Simplon, im Bereich der Eisdome (Hinterrheintal, Obergoms, Engadin), in Insubrien und im Napf-Bergland. Die sehr empfehlenswerte neue Karte kann bei Swisstopo bestellt werden. Danach referierte Christian Schlüchter über „Erosion während des Quartärs in der Nord-Schweiz“. Dieses Thema ist besonders aktuell angesichts der laufenden Diskussionen um die geologische Tiefenlagerung von radioaktivem Abfall. Es folgte ein Referat von Naki Akcar und KollegInnen über „Age of Deckenschotter: Theoretical approach with cosmogenic 10Be and 26Al“. Große methodische Schwierigkeiten sind bei diesem Datierungsverfahren noch zu lösen. Im nächsten Vortrag berichteten Oskar Keller und Edgar Krayss über „Neue Erkenntnisse zum Mittel- und Oberpleistozän der Nordschweiz“. Die beiden Autoren postulierten Vergletscherungen während den Marinen Isotopen Stadien (MIS) 2 (Stichwort „Birrfeld – Niederterrasse“), MIS 6 („Koblenz“), MIS 8 („Habsburg“), sowie MIS 10 und älter („Möhlin“). Nach einer Pause schilderte Bernhard Lempe seine angewandten Untersuchungen an Schmelzwasserkiesen aus dem Großraum Memmingen (Bayern). Er stellte Möglichkeiten vor, wie die charakteristischen Verwitterungsbildungen bezeichnet und klassifiziert werden könnten. Danach beschrieb Andreas Dehnert (und Kollegen) „Paläoumweltrekonstruktion an Sedimenten des glazial übertieften Wehntals im nördl. Schweizer Alpenvorland mittels erster Erkenntnisse aus der 2009´er Tiefbohrung in Niederweningen“. Unterhalb der berühmten Mammuttorfe finden sich mehrere Seesedimentabfolgen von vermutlich sehr ausgedehnten Seen und basale Gletscherablagerungen. Abschließend führte Hansruedi Graf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Arbeitstagung in das Exkursionsgebiet der Arbeitstagung ein. Er berichtete auch über die generelle Korrelierbarkeit der Morphostratigraphie der Nordschweiz mit dem entsprechenden System im süddeutschen Alpenvorland.
Am Samstag besuchten die Tagungsteilnehmerinnen und –teilnehmer dann die Kiesgruben Solenberg / SH (Foto), GU / Beringen, Hablützel / Wilchingen, Geisslingen, Hönger / Klingnau und KIBAG / Birr. Neben einer Vielzahl von mindestens vier, bisher nur tentativ mittels Optisch Stimulierter Lumineszenz (OSL) datierten Hochterrassen-Einheiten wurden Paläoböden und Terrassen-Einschachtelungen von Hoch- und Niederterrasse besucht. In der Mittagspause wurden gemeinsame Publikationen für die INQUA-Tagung im Jahr 2011 diskutiert. Die AGAQ möchte Ihre regionalen Arbeitsgebiet in einem Sonderband des Quaternary Science Journals vorstellen.
Die Exkursion am Sonntag führte die AGAQ 2010 ins Möhliner Feld. Nördlich von Wallbach konnten Schwarzwald-Erratika beobachtet werden. Im Bereich der morphologischen Wallformen bei Forstzelgli / Wallbach (einer Endmoräne nach Penck & Brückner) berichtete Hansruedi Graf, dass bisher lediglich Löss-Sedimente unter den Wallformen erbohrt werden konnten. Der letzte Aufschluss der Exkursion führte zur Kiesgrube Bünten, in der zeitweilig Moränenmaterial und zwei verschiedene Hochterrassen-Einheiten aufgeschlossen waren. Die Tagung wurde vom „dienstältesten“ Forscher der Arbeitsgemeinschaft Rene Hantke und dem Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Markus Fiebig beendet und den lokalen Tagungsorganisatoren Dorian Gaar, Frank Preusser und Hansruedi Graf sowie allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Tagung sehr herzlich gedankt. Für 2011 und 2012 gibt es bereits wieder konkrete Ideen für Arbeitstagungen, so dass eine Fortsetzung der Aktivitäten der AGAQ für die kommenden Jahre gesichert ist.
Markus Fiebig, Wien, Frank Preusser, Bern, Hansruedi Graf, Baden (Schweiz) & Jürgen Reitner, Wien