Am 17. Dezember 2009 verstarb Professor Dr. habil. Heinz Kliewe im hohen Alter von fast 92 Jahren in Greifswald.
Er wurde am 15. Januar 1918 in Rieth (östlich Ueckermünde) geboren und besuchte das humanistische Gymnasium im pommerschen Stargard, um anschließend (1939/40) an der Berliner Universität ein Mathematik- und Physikstudium aufzunehmen. Nach einer schweren Kriegsverletzung im Jahre 1942 setzte er 1943/44 sein Studium an der Posener Universität fort, um es nach Kriegsende in Greifswald abzuschließen. In diese erste Greifswalder Phase fallen 1951 unter Professor Reinhard die Promovierung zum Dr. rer. nat. mit einer Arbeit zu den Klimaregionen Mecklenburgs sowie seine 1957 vorgelegte Habilitationsschrift zur spät- und nacheiszeitlichen Formenentwicklung der Insel Usedom.
Von 1960 bis 1969 war er Direktor des Geographischen Instituts und später des vereinigten Geographischen und Geologischen Instituts der Universität Jena sowie Inhaber des dortigen Lehrstuhls für Physische Geographie und Quartärforschung und von 1969 bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1981 Leiter des Wissenschaftsbereichs Physische Geographie an der Universität Greifswald. In beiden Instituten war er maßgeblich an der Schaffung geowissenschaftlicher Labors beteiligt. Zu seinem Aufgabenspektrum gehörten vor allem umfangreiche Verpflichtungen in Lehre und Forschung inklusive der Betreuung von Lehrerstudenten, Diplomanden und Doktoranden sowie eine umfangreiche Gutachter- und Publikationstätigkeit. Mehrere erfolgreiche Habilitationen gingen aus seiner Schule hervor. Seine Lehr- und Forschungsergebnisse fanden in ca. 140 Veröffentlichungen ihren Niederschlag.
Besonders großen Wert legte Heinz Kliewe auf nationale und internationale Forschungs-kooperation. Seine Forschungsschwerpunkte bildeten in Greifswald die Glazialmorphologie und die Küstenforschung sowie in Jena Fragen zur Fluss- und Talentwicklung im Mittelgebirgsvorland, zum Periglazial sowie besonders zum Binnenholozän. Einen großen Teil seiner stets knapp bemessenen Zeit investierte Heinz Kliewe in wissenschaftliche Ehrenämter. Er war Mitglied des Quartärkomitees der DDR, der Deutschen Akademie der Naturforscher „Leopoldina“ und langjähriges Mitglied des Redaktionskollegiums der Zeitschrift „Petermanns Geographische Mitteilungen“.
Auf internationaler Ebene konnte er auf eine ca. 25 Jahre lange Mitgliedschaft in der „Sub-commission on Shorelines of Northwestern Europe“ der INQUA zurückblicken, davon viele Jahre als deren Präsident bzw. Vizepräsident. Des Weiteren war er über ca. zwei Jahrzehnte hinweg Mitglied der INQUA-„Commission for the study of Holocene“ bzw. ihrer eurosibirischen Subkommission. Von 1971 bis 1989 leitete er die bilateralen Arbeitstagungen DDR/VR Polen zu Fragen des Jungquartärs und dessen Nutzung. Mit diesen schufen er und Professor Galon (Toruń, Polen) ein zu jener Zeit noch einmaliges Gremium der interdisziplinären Zusammenarbeit von Wissenschaftlern verschiedenster Disziplinen zur Erforschung nicht nur geowissenschaftlicher Fragestellungen. Beteiligt waren außer Geographen und Geologen vor allem Archäologen, Boden- und Moorkundler, Geochronologen, Küstenforscher und Limnologen, Geo- und Paläobotaniker, Geoökologen und Vertreter des Naturschutzes. Hohe Verdienste erwarb er sich durch die Entwicklung von über mehrere Jahrzehnte hinweg die geowissenschaftliche Forschung mitbestimmenden Konzepten, z. B. zum System der Marginalzonen Norddeutschlands und zur holozänen Ostsee-Entwicklung.
Auch nach seiner Emeritierung im Jahre 1981 war Heinz Kliewe bis an sein Lebensende wissenschaftlich aktiv und in viele Publikationsvorhaben eingebunden. Leider konnte er das Erscheinen der Neuauflage des Bandes „Die Deutsche Ostseeküste“ aus der Reihe „Sammlung geologischer Führer“, für die er seinen Anteil schon abgeschlossen hatte, nicht mehr miterleben.
Für seine Leistungen in Lehre und Forschung wurde Heinz Kliewe mehrfach geehrt, unter anderen mit der Hermann-Haack-Medaille der Geographischen Gesellschaft der DDR, der Verdienstmedaille der Universität Toruń und der Albrecht-Penck-Medaille der DEUQUA.
Heinz Kliewe war für uns, die wir ihn ein Stück auf seinem wissenschaftlichen Lebensweg be-gleiten konnten und ihn auch persönlich näher kannten, ein äußerst gewissenhafter und bescheidener sowie engagiert, beharrlich und präzis arbeitender Kollege, der sowohl zu fordern als auch zu fördern verstand. Er setzte sich mit viel Einfühlungsvermögen und Verständnis für die Anliegen seiner Mitarbeiter und Studenten ein. Wir werden ihn und seine jahrzehntelange Weggefährtin und Helferin, Hildegard Kliewe, stets in dankbarer Erinnerung behalten.
Wolfgang Janke, Klaus-Dieter Jäger, Reinhard Lampe, Ralf-Otto Niedermeyer
Foto: Heinz Kliewe