Seit dem Siegeszug der Theorie der Plattentektonik (New Global Tectonics) hat sich unser geowissenschaftliches Weltbild gründlich verändert, was auch Folgen für die Terminologie in der Geologie und der Geomorphologie hatte. Für eine der bedeutendsten Großformen der Erde, die nur im Zusammenhang mit der Plattentheorie erklärbar ist, ist aber noch immer kein sinnvoller deutscher Fachbegriff eingeführt worden. Es handelt sich um die eingestülpte Großform des Ozeanbodens, die sich an einer Subduktionszone bildet.
Der englische Begriff „deep sea trench“ wird in vielen deutschsprachigen Lehrbüchern mit „Tiefseegraben“ übersetzt. Nun haben wir selbst gelernt und lehren das auch heute noch unsere Studierenden, dass ein Graben eine Form der Dehnungstektonik ist. Divergenz charakterisiert hier die Bewegungsabläufe. Im Falle der Subduktionszone haben wir es aber mit einer konvergierenden Plattengrenze und folglich mit Konvergenz zu tun. Die englische Fachsprache kennt neben dem Terminus „rift“ auch den aus dem Deutschen übernommenen Begriff „graben“, aber kein Engländer oder Amerikaner käme auf die Idee, von einem „deep sea graben“ zu sprechen. Der deutsche Begriff „Tiefseegraben“ ist also geeignet, Verwirrung zu schaffen.
Einige Autoren (z.B. Eisbacher 1991, S. 245; Brückner 1995, S. 74; Press & Siever 2003, deutsche Ausgabe) haben daher im Deutschen den Begriff „Tiefseerinne“ vorgeschlagen. Der Begriff „Rinne“ erzeugt aber bei einem Geomorphologen Assoziationen, die dem Prozess der Bildung eines „deep sea trench“ widersprechen: Eine Rinne wird im deutschen geomorphologischen Sprachgebrauch allgemein mit dem Prozess fluvialer, linearer Erosion verknüpft, auch wenn bei Murrinnen oder subglazialen Rinnen auch andere als fluviale Prozesse beteiligt sein mögen, die aber auf jeden Fall erosiv und linear wirken. Derartige (lineare) Erosionsprozesse scheiden aber für die Genese einer „Tiefseerinne“ aus. Die Übersetzung von „deep sea trench“ mit „Tiefseerinne“ bleibt also auch unbefriedigend. Offenbar hatte auch W. Zeil bei seiner Neubearbeitung von „Brinkmanns Abriß der Geologie“ (1990) Bedenken gegen „Tiefseerinne“ und nannte die fragliche Großform „Tiefseegesenke“ (S. 265). Dieser etwas altertümlich klingende Begriff hat sich aber nicht verbreitet.
Lässt sich eine griffige deutsche Übersetzung des englischen Begriffes „trench“ finden, die nicht bereits in der deutschen geomorphologischen Terminologie belegt ist? Diese Prämisse erfüllt laut Wörterbüchern (z.B. Cassels Wörterbuch Englisch–Deutsch, LEO online-Wörterbuch Englisch-Deutsch http://dict.leo.org/?lp=ende&lang=de&agent=firefox-de&search=%s ) der deutsche Begriff „Furche“. Zwar gibt Watznauer (1982) als englische Übersetzung für „Furche“ u. a. „furrow“ an, wobei umgekehrt für „furrow“ die breite Spanne deutscher Übersetzungen „Furche, Graben, Rinne, Rille, Abflussrinne, Wanne, Einsenkung“ (sic!) genannt wird. In einschlägigen deutschsprachigen Lehrbüchern der Geomorphologie bzw. der Physischen Geographie (Machatschek 1952, Panzer 1965, Louis & Fischer 1979, Wilhelmy 1984, Bremer 1989, Ahnert 1996, Hendl & Liedtke 1997, Strahler & Strahler 1999, Zepp 2002, Leser 2003, Baumhauer 2006) taucht aber der Begriff „Furche“ im Index nirgends auf. Es darf daher davon ausgegangen werden, dass der Begriff „Furche“ im Sprachgebrauch der deutschen Allgemeinen Geomorphologie mit keiner anderen, nicht kompatiblen Bedeutung belegt ist. Weiterhin ist die Bedeutung des Begriffes in der deutschen Sprache recht weit gefasst und schließt keine enge genetische Verknüpfung ein, er wird vielmehr beschreibend im Sinne einer Hohlform gebraucht, gleich ob diese durch Aushub, Einwölbung oder sonst wie entstanden ist. Dennoch wurde der Begriff in der regionalen Geomorphologie durchaus bereits im Sinne der tektonischen Geomorphologie gebraucht. Interessant erscheinen im Zusammenhang mit der gesuchten sinnvollen Übersetzung von „deep sea trench“ Hinweise in Wikipedia:
„Eine Furche ist abstrakt gesehen eine linienhafte Vertiefung und einer Rinne ähnlich. Neben der primären Bedeutung für den Ackerbau ist die Furche in der Mythologie, im Grundstückswesen und im übertragenen Sinne auch in der Geomorphologie bedeutsam…In der Geomorphologie wird als Furche ein Talzug mit mehreren verlaufenden Flusstälern bezeichnet. Beispielhaft genannt sind die Mur-Mürz-Furche (Österreich) oder die Neretva-Bosna-Furche (Bosnien und Herzegowina).“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Furche , Zugriff 9.1.09).
Gerade der letzte Satz des Zitats – viele weitere Beispiele ließen sich anführen – spricht für eine Assoziation des bisherigen regionalgeomorphologischen Gebrauchs des Begriffes „Furche“ mit Prozessen und Großformen an einer Suturzone oder an Grenzen von tektonischen Decken. Es erscheint daher nahe liegend, die geomorphologische Bedeutung der „Furche“ auch auf die Großform „deep sea trench“ an einer Subduktionszone – Vorläufer einer Suturzone – auszudehnen.
Daher schlagen wir vor, den Begriff „deep sea trench“ in Zukunft nur noch mit „Tiefseefurche“ ins Deutsche zu übersetzen!
Man mag einwenden, dass die Ersetzung etablierter Begriffe (wie „Tiefseegraben“ oder „Tiefseerinne“) neue Verwirrung bei Fachwissenschaftlern und besonders bei Studierenden hervorruft. Dieses Argument sollte aber angesichts der oben genannten Einwände gegen die etablierten Begriffe in den Hintergrund treten. Die breite Bedeutung des deutschen Wortes „Furche“ in vielen Lebensbereichen ist eine günstige Voraussetzung für die Einführung des Fachbegriffes „Tiefseefurche“. Der möglichen Verwirrung kann entgegengewirkt werden, indem
a) künftig alle Autoren und Verleger deutschsprachiger Geomorphologie-Lehrbücher konsequent darauf achten, nur noch „Tiefseefurche“ zu verwenden, und
b) die Einführung des Fachterminus „Tiefseefurche“ in einer Veröffentlichung mit großer Verbreitung im deutschsprachigen Raum erfolgt. Diese Voraussetzung ist z. B. mit Gmit bestens erfüllt.
Literaturhinweise:
Ahnert, F. (1996): Einführung in die Geomorphologie. – Stuttgart.
Baumhauer, R. (2006): Geomorphologie. – Darmstadt.
Bremer, H. (1989): Allgemeine Geomorphologie. – Berlin, Stuttgart.
Brinkmanns Abriß der Geologie, Bd. 1 (1990): 14. Aufl. neu bearb. von W. Zeil. Stuttgart.
Brückner, H. (1995): Die Entstehung der Ozeane. – Geogr. Rdsch. (1995), H. 2: 75-81.
Eisbacher, G.H. (1991): Einführung in die Tektonik. Stuttgart.
Hendl, M. & Liedetke, H. (Hrsg., 1997): Lehrbuch der Allgemeinen Physischen Geographie. – Gotha.
Leser, H. (2003): Geomorphologie. – Braunschweig.
Louis, H. & Fischer, K. (1979): Allgemeine Geomorphologie. – Berlin, New York.
Machatschek, F. (1952): Geomorphologie. – Leipzig.
Panzer, W. (1965): Geomorphologie. – Braunschweig.
Press, F. & Siever, R. (2003): Allgemeine Geologie. – Heidelberg-Berlin (Spektrum).
Strahler, A.H. & Strahler, A.N. (1999): Physische Geographie.- Stuttgart.
Watznauer, A. (1982): Wörterbuch Geowissenschaften. – Berlin.
Wilhelmy, H. (1981): Geomorphologie in Stichworten (3 Bde.). – Verlag F. Hirt.
Zepp, H. (2002): Geomorphologie – eine Einführung. – Paderborn.
Ludwig Zöller & Ulrich Hambach, Bayreuth