Das Institut für Geowissenschafliche Gemeinschaftsaufgaben (GGA-Institut) in Hannover hat am 5. und 6. Dezember 2006 zum 3. Workshop "Forschungsbohrung Heidelberger Loch" in seinen Arbeitsbereich Grubenhagen in der Nähe von Einbeck eingeladen. Im Rahmen des Workshops, an dem 22 WissenschaftlerInnen teilnahmen, wurden der aktuelle Stand der Bohrungen, erste Forschungsergebnisse sowie die Planungen zu einem DFG-Antragspaket diskutiert. Im Zentrum des Vorhabens stehen die drei Forschungsbohrungen Heidelberg UniNord, Viernheim und Ludwigshafen-Parkinsel, die im Bereich des Heidelberger Beckens abgeteuft wurden. Die Bohrkerne liegen vollständig in Linern vor, so dass zur wissenschaftlichen Bearbeitung qualitativ hochwertiges Material zur Verfügung steht. Fertig gestellt sind zwei 300 m tiefe Bohrungen im Bereich Ludwigshafen-Parkinsel (Rheinland-Pfalz) sowie die Forschungsbohrung Viernheim (Hessen) mit einer Endteufe von 350 m. Die mit geplanten 500 m Endteufe tiefste Bohrung in der Nähe des Sportzentrums Nord der Universität Heidelberg (Baden-Württemberg) ist derzeit aus technischen Gründen bei einer Teufe von 190,4 m eingestellt, soll aber im Laufe des Jahres 2007 abgeschlossen werden (zur Lage der Bohrungen vgl. Abbildung). Ziel des Forschungsvorhabens ist es, mit den drei Bohrungen unterschiedliche Faziesräume des Heidelberger Beckens zu erkunden. Das Heidelberger Becken stellt die größte quartäre Sedimentsukzession im Oberrheingraben dar. Erwartet wird somit ein zeitlich hoch aufgelöstes Sedimentarchiv, das insbesondere ein detailliertes Abbild der pleistozänen Landschafts- und Klimaentwicklung aufzeigt. Dazu werden Erkenntnisse zur tektonischen Entwicklung des nördlichen Oberrheingrabens im Pliozän und Pleistozän erwartet (vgl. auch GMIT Nr. 25 S. 66-68). Während die Forschungsbohrungen in einer engen Zusammenarbeit zwischen dem Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau im Regierungspräsidium Freiburg (Baden-Württemberg, LGRB), dem Hessischen Landesamt für Umwelt und Geologie (HLUG), dem Landesamt für Geologie und Bergbau Rheinland-Pfalz (LGB RP) und dem GGA-Institut realisiert werden, sollen an der weiteren wissenschaftlichen Bearbeitung auch zahlreiche Universitätsinstitute aus ganz Deutschland beteiligt werden.
Zum Beginn des Workshops erläuterte Ch. Rolf (GGA-Institut) die Geschichte des Jagdschlosses Grubenhagen, das heute als Arbeitsbereich des GGA-Instituts, der BGR und des LBEG Niedersachsen dient. Schwerpunkte der fachlichen Arbeiten in Grubenhagen sind Untersuchungen zur Salzmechanik (BGR) sowie das Gesteins- und Paläomagnetiklabor (GGA-Institut). M. Weidenfeller (LGB RP) berichtete dann über die bisherigen Ergebnisse der beiden Bohrungen (P34 und P35) Ludwigshafen-Parkinsel. Umfangreiche geowissenschaftliche Untersuchungen liegen vor allem zur Bohrung P34 vor. Die Pleistozänbasis findet sich bei 176 m unter GOK, bestätigt durch schwermineralogische, paläobotanische, paläontologische und paläomagnetische Untersuchungen. Über erste viel versprechende Untersuchungsergebnisse zur Paläobotanik berichtete im Anschluss M. Knipping (Uni Hohenheim). Ergänzt durch Ergebnisse von weiteren Bohrungen aus dem Umfeld von Ludwigshafen konnten verschiedene pleistozäne Warmzeiten, insbesondere aus dem Cromer-Komplex identifiziert werden. Dabei erstaunt, dass trotz der großen Sedimentmächtigkeiten der Bohrungen ein Nachweis über die beiden letzten Warmzeiten Eem und Holstein bisher nicht gelang. Dagegen ist aus den Lössprofilen im Bereich des Mainzer Beckens eine paläobotanisch voll ausgebildete Eem-Warmzeit bekannt. Anschließend ging Ch. Rolf auf die gesteins- und paläomagnetischen Untersuchungen ein, die Hinweise auf Wechsel in den gesteinsmagnetischen Parametern und in der magnetischen Polarität an der Plio-Pleistozän-Grenze liefern. Frau K. Schaber (Uni Mainz) erläuterte abschließend, welche wesentliche Rolle spezielle sedimentologische Untersuchungen (Rapid Particle Analysis of digital images by ultra-high-resolution scanning of thin sections) bei der Auswertung der Bohrkerne spielen können.
D. Ellwanger (LGRB) stellte den Stand der Forschungsbohrung Heidelberg UniNord vor. Aufgrund bohrtechnischer Schwierigkeiten (unzureichender Kerngewinn in grobklastischen Bereichen) wurde die Bohrung bei 190,4 m unter GOK zunächst eingestellt. Da die Bohrung im Bereich der größten Sedimentmächtigkeit des Heidelberger Beckens steht, wie reflexionsseismische Messungen des GGA-Instituts ebenso gezeigt haben wie die bereits vorliegenden Bohrkerne, wird von den beteiligten Instituten alles daran gesetzt, die Bohrung bis zur geplanten Endteufe niederzubringen. Die Pleistozänbasis wird an dieser Lokation bei ca. 380 m unter GOK erwartet. Trotz aller Schwierigkeiten konnten bereits erste Resultate der Bohrbegleitenden Untersuchungen vorgestellt werden. In der Bohrung Heidelberg UniNord, ergänzt durch Proben aus umliegenden Bohrungen, konnte paläobotanisch durch J. Hahne (Dassel) vorläufig die Holstein-Warmzeit, ein jüngeres Interglazial im Cromer-Komplex sowie der Waal-Komplex nachgewiesen werden. Ch. Hoselmann (HLUG) stellte anschließend die ersten Ergebnisse der Forschungsbohrung Viernheim vor, die 2006 abgeteuft worden ist. Die Bohrung erbrachte einen qualitativ hochwertigen Kern, der die Pleistozänbasis bei 225 m unter GOK erschloss. Die Endteufe wurde in pliozänen Sedimenten bei 350 m erreicht. Schwermineralogische Untersuchungen zeigen, dass die pleistozänen Sedimente ein deutliches überregionales Signal aufweisen, das sich im Wesentlichen durch instabile Schwerminerale aus dem Alpenraum auszeichnet. Dagegen werden die Schwerminerale aus dem Pliozän durch Minerale charakterisiert, die auf lokale Liefergebiete, z. B. aus dem Odenwald, hinweisen. Auch erste Messungen der Suszeptibilität zeigen einen markanten Wechsel an der Plio-/Pleistozän-Grenze. Sowohl in Heidelberg als auch in Viernheim konnten durch das GGA-Institut umfangreiche bohrlochgeophysikalische Messungen vorgenommen werden, die Th. Wonik (GGA-Institut) erläuterte. Um zwischen den einzelnen Lokationen korrelieren zu können, müssen die Daten jedoch umfangreicheren statistischen Untersuchungen unterzogen werden. H. Buness (GGA-Institut) berichtete, dass durch die Auswertung der VSP-Logs die im Vorfeld der Bohrungen durchgeführten seismischen Messungen einem verbesserten Prozessing unterzogen werden können.
R. Greiling (Uni Heidelberg) skizzierte dann eine Projektidee, wie mit Hilfe von elektromagnetischen Reflexionsmessungen (EMR-Messungen) und deren Auswertung neue Erkenntnisse zur Hebungsgeschichte und Spannungsverteilung im südlichen Odenwald erzielt werden können. Ein neuer Ansatz zur Datierung von fluviatilen Akkumulationsaltern in der Altersspanne von einigen 100 ka bis 5 Ma stellt die "Burial Age Dating-Methode" dar, die von A. Dehnert (Uni Bern) vorgestellt wurde. Diese noch in der Entwicklung befindliche Datierungsmethode wurde in der Niederrheinischen Bucht an fluviatilen Sedimenten angewandt. Zwar sind die Fehlerbalken derzeit noch recht groß, aber mit der Optimierung des Messverfahrens sowie umfangreichen zusätzlichen Auswertungen des Datenmaterials wird künftig eine Verbesserung des Verfahrens und somit eine verlässlichere Altersangabe erwartet. Dazu beitragen sollen auch Untersuchungen an fluviatilen Sedimenten der Forschungsbohrung Viernheim.
Nach diesem fachlichen Teil des Workshops erläuterte G. Gabriel (GGA-Institut) das Votum der DFG-Senatskommission für Geowissenschaftliche Gemeinschaftsforschung (Geokommission) zu dem Gesamtvorhaben, deren Anregungen bei der Ausarbeitung des DFG-Antragspakets Berücksichtigung finden werden. Im Laufe der nächsten Monate sollen die Einzelanträge formuliert und möglichst noch in der ersten Jahreshälfte 2007 bei der DFG als Antragspaket eingereicht werden.
Am zweiten Tag des Workshops wurde im Rahmen einer "Kernparty" die im Kernlager in Grubenhagen ausliegenden Kerne der Forschungsbohrungen Heidelberg UniNord und Viernheim diskutiert. Die Kerne wurden in Grubenhagen halbiert, so dass jeweils eine in Folie eingeschweißte Archivhälfte sowie eine Bearbeitungshälfte vorliegt. Übereinstimmend wurde von den Teilnehmern des Workshops festgestellt, dass die Kerne der Bohrung bei Viernheim von ausgezeichneter Qualität sind und Potenzial für detaillierte wissenschaftliche Untersuchungen in den nächsten Jahren liefern werden. Von unterschiedlichen Arbeitsgruppen wurden Bereiche zur Kernbeprobung markiert, die in den kommenden Wochen stattfinden wird. Die Archivhälfte soll aber auch mittelfristig interessierten Wissenschaftlern die Möglichkeit geben, die Kerne im ungestörten Zustand zu sehen und beproben zu können. Mit P. Maasewerd, dem Projektleiter der Firma Daldrup & Söhne AG, welche die Bohrung in Viernheim ausgeführt hat, konnte zum Abschluss des Workshops über die Bohrtechnik, Probleme bei der Bohrung und die Qualität der Kerne diskutiert werden. Die Gewinnung von hochqualitativen Kernen in Lockesedimenten stellt hohe Anforderungen an Bohrgerät, Bohrmannschaft und Technik, was sich letztlich auch in entsprechend hohen Kosten niederschlägt.
Weitere Informationen zum Forschungsprojekt Heidelberger Becken finden sich auch unter: www.gga-hannover.de. Bei Interesse besteht die Möglichkeit, sich inhaltlich an dem Forschungsvorhaben zu beteiligen.
Christian Hoselmann, Wiesbaden