Ehrenmitglied der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft 1993 – 2009.
Professor Dr. Helmut Stremme verstarb im Alter von 93 Jahren an seinem Geburtstag, dem 26. Februar 2009, im Kreise seiner vier Kinder nach einem erfüllten Leben. Mit ihm verliert die deutsche Quartärforschung ein fachlich und kollegial herausragendes, langjähriges Mitglied.
Helmut Erhard Heinrich Stremme wurde am 26.02.1916 als Sohn des Bodenkundlers und Geologen Hermann Stremme und Antonie Stremme, geb. Teuber, in Danzig geboren. Nach seinem Abitur im Jahre 1934 studierte er das Fach Geologie an den Universitäten in Freiburg, Danzig und Münster, das er 1939 mit der Dissertation über die Geologie des Eggegebirges abschloss. Während des Krieges war er als Wehrgeologe in Nordfrankreich, Belgien und Osteuropa tätig. Von 1945 bis 1951 war er Mitarbeiter im Geologisch- Paläontologischen Institut der Universität Heidelberg.
Geprägt durch seinen Vater Herrmann Stremme in Danzig befasste sich Helmut Stremme als ausgebildeter Geologe schon früh in seinem wissenschaftlichen Leben mit der Entstehung, den Eigenschaften und der Verbreitung von Böden und gründete 1949 zusammen mit anderen Bodenkundlern die Deutsche Bodenkundliche Gesellschaft neu. Im Jahre 1951 habilitierte er sich an der Universität Münster für das Fach Geologie mit einer Arbeit über Bodenentstehung und Mineralbildung im Neckarschwemmlehm der Rheinebene. Neben der Darstellung der physikalischen, chemischen und mineralogischen Eigenschaften repräsentativer Böden wurden von ihm als erster Tonminerale in den Böden röntgenographisch nachgewiesen, die später als Illite bekannt wurden. Im Jahre 1951 wechselte Helmut Stremme an die Landesanstalt für Geologie, das spätere Geologische Landesamt Schleswig-Holsteins in Kiel und war zunächst als Bodenkartierer und später als Leiter der bodenkundlichen Abteilung tätig. Bis 1970 veröffentlichte er zahlreiche Bodenkarten. Darüber hinaus erweiterten seine bodengenetischen Forschungsarbeiten zur Entwicklung der Marschen und Grundwasserböden, der Parabraunerden unter Ackernutzung und der "Schwarzerden" der Insel Fehmarn die Kenntnisse über die Böden Schleswig-Holsteins. Im Jahre 1970 wurde er Direktor des Landesamtes, wo er bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1981 blieb. Helmut Stremme war zeitweilig Vorsitzender der Konferenz der Direktoren der Geologischen Landsämter und arbeitete auch an den ersten beiden Auflagen der bundesweiten Bodenkundlichen Kartieranleitung mit. Von 1961 bis 1981 führte er einen Lehrauftrag für Bodenkunde mit Lehrveranstaltungen zur Bodengeographie an der Agrarwissenschaftlichen Fakultät der Kieler Universität durch und wurde zum außerplanmäßigen Professor ernannt.
Seine zahlreichen Verpflichtungen als Direktor des Landesamtes hielten ihn jedoch nicht von der aktiven Forschung zur Paläopedologie ab, insbesondere hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Gliederung eiszeitlicher Ablagerungen in Norddeutschland. Eigenes Hauptforschungsgebiet in dieser Zeit waren die interstadialen- und interglazialen Paläoböden der schleswig-holsteinischen Moränen- und Sanderlandschaften. Sein Name ist vor allem mit der "Treene-Warmzeit" verbunden, die er aufgrund der starken Unterschiede in der Verwitterung der Moränen zwischen den Drenthe- und Warthe-Stadien der Saaleeiszeit vermutete.
Die Pensionierung 1981 war für ihn kein Anlass, sich dem wohlverdienten Ruhestand hinzugeben. Im Gegenteil: Gesegnet durch eine gute Gesundheit und ein hohes Maß an Lebensfreude und Kreativität, übernahm er die Leitung des Arbeitskreises "Paläopedologie" der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft, den er über einen Zeitraum von 15 Jahren prägte. Bei den jährlichen Arbeitskreistagungen, die er stets persönlich leitete, weckte er vor allem bei vielen Studierenden und Jungwissenschaftlern mit seiner Fachkenntnis und Begeisterung das Interesse für die Paläopedologie. Er war der erste, dem es gelang, noch bevor es das Bundesbodenschutzgesetz forderte, eine Kiesgrubenwand mit seltenen Paläoböden unter Schutz stellen zu lassen, damit dieses naturhistorische Dokument der Nachwelt erhalten bleibe. Darüber hinaus begab sich Helmut Stremme auf quartärstratigraphische Spurensuche in ganz Mitteleuropa zwecks einer Klärung der Saale-Gliederung. Dazu führte er zwei DFG-Vorhaben zur Datierung und Korrelation von Paläoböden erfolgreich durch. Wissenschaftlich innovativ und für die Quartärgeologie wegweisend waren die von ihm mit Physikern und Geowissenschaftlern angewandten und z.T. weiterentwickelten Methoden zur numerischen Altersbestimmung von Sedimenten, aus denen sich das Alter der daraus gebildeten Böden abschätzen ließ. Die Etablierung der Lumineszenz-Datierung quartärer Sedimente in Deutschland ist untrennbar mit seinem Namen und seinem Engagement verbunden. Wenngleich die Existenz eines echten Interglazials zwischen Drenthe- und Warthe-Stadium bisher nicht schlüssig bewiesen ist, zog Helmut Stremme aus dieser Vision und den quartärgeologisch noch nicht beantworteten Fragen die Kraft und Beharrlichkeit, um an den Beweisen für seine Hypothesen zu arbeiten. Für seine Verdienste wurde er von der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft im Jahre 1993 zum Ehrenmitglied ernannt. Helmut Stremme war sehr kommunikativ und stets bestrebt, seine Forschungsergebnisse mitzuteilen. Er genoss es auf DEUQUA-Tagungen zu sein und stellte sich hier stets freimütig den Diskussionen und den divergierenden Ansichten um die Stratigraphie der Saaleeiszeit.
Helmut Stremme bleibt als pflichtbewusster, fürsorglicher, umfassend gebildeter, auch im heftigen wissenschaftlichen Disput um Ausgleich bemühter Forscher und Lehrer, Kollege und Freund, den Mitgliedern der Deutschen Quartärvereinigung unvergessen.
Peter Felix-Henningsen, Gießen & Ludwig Zöller, Bayreuth